Grüne Abgeordnete aus Seligenstadt und Mainhausen zu Gast im Energiedorf Wildpoldsried
Energiewende zum Anfassen: Das erlebten die grünen Fraktionen aus Seligenstadt und Mainhausen bei ihrem Ausflug ins Energiedorf Wildpoldsried am 12. Juli 2024. Begleitet von ihrer Landtagsabgeordneten Katy Walther, konnten sie sich vor Ort ein Bild von den innovativen Energieprojekten machen, die Wildpoldsried zu einem Leuchtturm in Sachen Energiewende gemacht haben.
Der Startschuss für diese Entwicklung fiel Mitte der 90er Jahre, als die Gemeinde zusammen mit ihrer Bürgerschaft ein Klimaleitbild verabschiedete. Der damalige Bürgermeister ging die Transformation mit Kreativität und Unternehmergeist an. Die Bürgerinnen und Bürger waren von Anfang an eng eingebunden und unterstützten die Entwicklung.
Günter Mögele, der stellvertretende Bürgermeister von Wildpoldsried, begann den Tag mit einem Vortrag darüber, wie das Dorf mit rund 2.700 Einwohnern seine eigene Energie produziert. Vor etwa 30 Jahren fing der neu gewählte Gemeinderat an, die Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Gestaltung der Gemeinde zu beteiligen. Die Einwohnerinnen und Einwohner wurden nach ihren Wünschen gefragt; danach wurden die Bedürfnisse nach Dringlichkeit sortiert und es wurden Lösungsansätze gesucht, wie man diese umsetzen kann: „Zwei Worte waren bei der Ideensuche von Anfang an tabu: JA – ABER“, erklärte Mögele schmunzelnd.
Die Energieversorgung stand schon damals im Fokus. So entschied man sich dafür, die Gemeinde nicht an ein Gasnetz anzuschließen, um unabhängig zu sein – was sich spätestens mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine als weise Entscheidung herausstellte.
Wildpoldsried versorgt mit einem Energiemix aus Biogas, Hackschnitzel- und Pelletheizung über ein Nahwärmenetz alle öffentlichen Gebäude, zehn Gewerbebetriebe und 180 Privatwohnungen.
Die Dorfheizung wird durch die Dorfentwicklungs GmbH organisiert – eine Non-Profit Gesellschaft, die der Gemeinde gehört.
Mithilfe von Photovoltaikanlagen auf vielen öffentlichen Gebäuden und derzeit neun Windrädern ist Wildpoldsried in der Lage, achtmal mehr Energie zu erzeugen, als das Dorf selbst verbraucht. Die Bürgerbeteiligung bei der Finanzierung der Windräder sorgt dafür, dass die Wertschöpfung im Dorf bleibt und sowohl viele Bürgerinnen und Bürger als auch die örtlichen Vereine davon profitieren. Die Einnahmen aus den Solardächern der kommunalen Gebäude fließen vollständig in die Vereinsförderung, was das soziale und kulturelle Leben im Dorf fördert. Die Gemeinde profitiert von den Gewerbesteuereinnahmen aus der Energieproduktion, eine echte Win-win-Situation für alle Beteiligten.
Bürgerbeteiligung war von Beginn an wichtig und gegeben. Die Gemeinde braucht keine externen Investoren; die Bürgerinnen und Bürger investieren eigenes Geld in ihre Gemeinschaft (in 25 Jahren ca. 70 Mio. €) und sind sehr zufrieden – Projekte müssen rentabel sein, bevor sie geplant und umgesetzt werden.
Die Wildpoldsrieder setzen viele gemeinnützige Projekte um, die sie mit den Einnahmen aus ihrer eigenen Energieerzeugung bezahlen. Sie verbinden dabei immer Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz für die Zukunft: die Grundschule wurde saniert, eine Kinderkrippe und eine Plusenergie-Sporthalle wurden gebaut, Sozialwohnungen wurden geschaffen, ein Nahversorger wurde übernommen, ein Flüchtlingsheim steht kurz vor dem Bezug. Sie konnten sogar einen Schwimmteich querfinanzieren.
Wildpoldsried wird regelmäßig mit dem European Energy Award ausgezeichnet, was die kontinuierlichen Bemühungen und Erfolge der Gemeinde im Bereich erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit würdigt.
Die Gemeindeverwaltung prüft und überwacht laufend, ob sie für ihre Projekte Fördermittel von Bund oder dem Freistaat Bayern bekommen kann. So nutzt sie die Geldmittel aus, die in vielen Programmen verfügbar sind.
„Für viele ist die Wende hin zu den erneuerbaren Energien und zu nachhaltigem Wirtschaften sehr herausfordernd, doch Wildpoldsried zeigt, dass es schnell und günstig möglich ist, wenn alle sich engagieren und dafür entscheiden. Es braucht Visionäre, Mut und den politischen Willen, dann kann man viel erreichen“, so die Fraktionsvorsitzende Seligenstädter Grünen Silke Rückert.
Die Teilnehmer waren beeindruckt von dem Engagement der Gemeinde für erneuerbare Energien und der praktischen Umsetzung der Energiewende. „Es ist inspirierend zu sehen, was alles geht, wenn man nur den Willen dazu hat und wenn ein Gemeindeparlament fraktionsübergreifend konstruktiv zusammenarbeitet“, sagte Gabi Hug, die Fraktionsvorsitzende der Mainhäuser Grünen. Wildpoldsried ist absolut „Best Practice“ und zeigt die Energiewende „zum Anfassen“. Energiewende ist machbar und auch wirtschaftlich interessant für die Bürgerinnen und Bürger und die Gemeinde selbst.
Der Besuch in Wildpoldsried vermittelte den Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen aus Seligenstadt und Mainhausen nicht nur Wissen, sondern stärkte auch ihre Motivation, die Energiewende in ihren eigenen Gemeinden aktiv voranzutreiben und zu gestalten.